„Der Mondmann – Rote Spur“ führt den Leser in eine düstere und faszinierende Welt voller Geheimnisse und kultureller Tiefen. Dieser zweite Band der Reihe um den Kopenhagener Ermittler Jens Lerby entführt uns nicht nur in die unbarmherzige Kälte Grönlands, sondern auch in die komplexe Kultur und Geschichte der Inuit.
Zunächst erstmal zum Buch:
Eine grausame Mordserie gibt der Kopenhagener Polizei Rätsel auf: In welchem Zusammenhang standen die Mordopfer? Und wer ist der Mörder, der am Tatort geheimnisvolle Symbole hinterlässt? Als klar wird, dass eine Verbindung zur Kultur der Inuit besteht, schaltet sich Jens Lerby in die Ermittlungen ein, zum Verdruss seines Vorgesetzten, der offenbar etwas zu vertuschen sucht. Lerby geht der Spur jedoch unbeirrt nach, die ihn schließlich nach Grönland führt, zurück zu Pallaya Shaa und ihren Leuten – und kommt so einem alten Geheimnis auf die Spur, in dem es um ein Verbrechen geht, das im Namen des Fortschritts von der dänischen Regierung an den Inuit begangen wurde: dem Projekt »Nystart« …
(Inhaltsangabe: Bastei Lübbe/Fynn Haskin)
Figuren:
Die Charaktere sind facettenreich und lassen sich leicht ins Herz schließen, allen voran natürlich Jens Lerby, der durch seine moralische Integrität und seine Beharrlichkeit überzeugt. Auch ohne den ersten Band zu kennen, kann man die Figuren schnell greifen und verstehen; ihre Entwicklungen sind in sich stimmig und sorgen für Identifikationspotenzial. Die Wechsel zwischen der Perspektive des Ermittlers und den „Erinnerungen“ – kurzen Rückblenden, die das historische Unrecht beleuchten – geben dem Roman ein zusätzliches Spannungsmoment, indem sie die Frage aufwerfen, wie die Vergangenheit das gegenwärtige Verbrechen beeinflusst. Die Auflösung ist überraschend, nachvollziehbar und zugleich bewegend, auch wenn am Ende einige kleine Fragen offen bleiben, was den Roman jedoch authentisch und lebensnah wirken lässt.
Der Name Vestergaard scheint mich allerdings zu verfolgen. Was in diesem Fall wohl eher daran liegt das dieser Nachname in Dänemark scheinbar so häufig vorkommt wie hier Müller, Meiner und Schmidt.
Sprache:
Sprachlich ist der Roman klar und atmosphärisch geschrieben, was besonders bei den Beschreibungen der kargen, eindrucksvollen Landschaft Grönlands zum Tragen kommt. Der Autor schafft es, die Eisberge, das kalte Licht und die Stille Grönlands so lebendig darzustellen, dass man als Leser das Gefühl hat, die klirrende Kälte auf der Haut zu spüren. Es ist eine Welt, die zugleich magisch und bedrohlich erscheint – eine Welt, die dem Täter Schutz und Motivation gibt und gleichzeitig für die dänischen Ermittler fremd und unzugänglich ist.
Fazit:
Der Roman ist nicht nur ein Kriminalfall, sondern viel mehr: Der Krimi dient als Gerüst für eine tiefgründige Auseinandersetzung mit kolonialer Schuld, die an das reale Projekt „Nystart“ angelehnt ist – eine systematische Umsiedlung der Inuit durch die dänische Regierung, die viele Leben zerstört hat. Diese historische Dimension verleiht der Geschichte eine emotionale Tiefe, die weit über einen klassischen Krimi hinausgeht und die Leser zum Nachdenken über kulturelle Identität und Unterdrückung anregt.
Der Autor:
Fynn Haskin wurde im rauen Winter 1969 geboren – vielleicht ist das der Grund, warum er schon früh eine Vorliebe für Schnee und Eis entwickelt hat. Seinen Urlaub verbringt der Reisejournalist und Weltenbummler bis zum heutigen Tag auf Bergeshöhen oder in den kühlen Regionen dieser Erde. Kaum eine Gegend hat ihn so begeistert wie Grönland. Besonders die spektakuläre Landschaft und die Kultur der Inuit haben ihn nachhaltig beeindruckt und zu DER MONDMANN inspiriert.